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Chronisch
Fritze King wird an unbekanntem Ort, zu unbekannter Zeit, von unbekanntem Paar, in einem Stall geboren und sofort sich selbst überlassen. So legt er sich bereits in den ersten Lebensjahren einen autarken, spartanischen, ja geradezu asketischen Lebensstil zu. An das Leben im Stall gewöhnt, wird er dort von einem reichen Kartoffelhofbesitzer entdeckt, als dieser sich gerade an einer riesigen und wohlgeformten Knolle vergehen will. Dieses Schlüsselerlebnis lässt den kleinen Fritze spontan seine ersten Worte formen: „Die kubischen Dimensionen der Solanum Tuberosum stehen in reziproker Relation zur intellektuellen Kapazität ihres rustikalen Kultivators.“ Angewidert und fasziniert zugleich nimmt der perverse Kartoffelbaron das Kleinkind zu sich. Um seine amourösen Stallabenteuer geheim zu halten, lässt er den heranwachsenden Fritze von Jesuiten in einem Schweigekloster erziehen. Jahre später wird er von einem der Mönche bei stundenlangen Selbstgesprächen ertappt. Daraufhin versucht man seine Lust am gesprochenen Wort mit dem täglichen Abspielen von Neujahrsansprachen aller Bundespräsidenten, Bundeskanzler und Staatsratsvorsitzenden zu zügeln. Als Fritze King jedoch mit dialogischen Wortscheingefechten auf die Tonbandtherapie reagiert, kerkert man ihn im Klosterverlies ein. Dort soll er aus Kartoffelschalen Blockflöten häkeln. Als er dieses Wunder vollbringt, gewährt man ihm einen Telefonanruf. Er lässt sich mit dem Weißen Haus verbinden und fordert den amerikanischen Präsidenten zur Zahlung von 10 DM auf, um sich die neueste Ausgabe des Duden kaufen zu können. Einige Jahre wartet Fritze am Telefon vergeblich auf Antwort. Da der Jesuiten-Orden die Telefonrechnung nicht bezahlen kann und sich bei einer Anhörung weigert eine Aussage zu machen, wird das Schweigekloster geräumt und zwangsversteigert. Auf sich allein gestellt und um die Macht des Wortes wissend bewirbt sich King an einer Sprachakademie. Dort ist man sprachlos und lehnt ihn ohne Worte ab.
Ein Aufstand gegen die herrschende Kultur- und Bildungspolitik scheitert, als sich Fritze King in der Hausnummer irrt und statt in der Sitzung der Kultusminister beim Friseur landet. Dort spricht er sich anderthalb Jahre lang aus. Als der Friseur an einer Überdosis Haarwasser stirbt, geht Fritze gut geföhnt ins Exil. Dort plant er einen zweiten volkshoheitlichen Revolutionsversuch.
Für seine Rückkehr leiht er sich von einem niedersächsischen Ehepaar für 15.000 DM einen lahmen Esel. Auf dem rheumatischen Rücken seines grauen Gefährten sitzend, malt King sich bereits seine triumphale Ankunft in den schillerndsten Farben und von weißen Tauben begleitet aus. Aber auch dieser revolutionäre Ausflug scheitert kläglich, als der Esel auf halbem Weg liegen bleibt und eine Partie Schach spielen möchte. Etliche Tage nach dem Kultusministertreffen landet Fritze King 200 km vom Sitzungsort entfernt in einem Stall. Als er dort in die Hochzeitsfeierlichkeiten eines Kartoffelbarons mit einer riesigen und wohlgeformten Knolle platzt, flieht er mit dieser und dem Vormund des Nachtschattengewächses, Mischlingshund Katte, in die Berge.
Der verhinderte Bräutigam verfolgt die flüchtigen Drei und stellt sie in einem Berggasthof. Dort verliert der treue Vierbeiner Katte den Kopf und verbeißt sich in der Knolle. Um die Proportionen seiner Zukünftigen besorgt, versucht der Kartoffelhofbesitzer sie den Klauen des Heißschnäuzigen zu entreißen. Bei dieser Aktion wird die tolle Knolle sauber in gleichmäßige Stangen zerteilt.
Um diesen Kartoffelkrieg zu beenden schleudert Fritze einen Kessel mit heißem Fett in Richtung Randale. Während sich die Raufbolde in Sicherheit bringen können, bleiben die Kartoffelstäbe zurück und werden frittiert.
Da eine Ehe unter diesen Umständen nur noch Stückwerk wäre, versöhnt sich der Kartoffelbaron mit Katte und lebt geläutert auf seinem Hof bis an sein Lebensende hart arbeitend als Zulieferer für eine große Schnell-Restaurant-Kette.
Fritze bleibt hungrig zurück und macht sich über die frittierten Kartoffelstangen her. Überrascht von deren Wohlgeschmack experimentiert er jahrelang mit verschiedenen Gewürzen und nennt seine kulinarische Erfindung „Pommes Fritze“.
Fest an einen frittierten Siegeszug glaubend muß Fritze bei seiner Rückkehr enttäuscht feststellen, dass seine Erfindung bereits unter ähnlichem Namen in aller Munde ist.
Diese Niederlage wird jedoch zu einem wichtigen Meilenstein in der Persönlichkeitsentwicklung von Fritze King. Spricht sie doch für sein Talent, durch puren Zufall Mehrheitsfähiges produzieren zu können. Vor einer Berliner Imbißbude stehend, erklärt er sich und alle Bürger des Landes spontan von langer Hand geplant zur Volkshoheit.
So macht sich Fritze King auf den leichtzüngigen und wortreichen Weg seine volkshoheitlichen Visionen zu verbreiten.
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